Der Rollenspielvertrag – ein Sozialvertrag für die glückliche Spielrunde

In vielen Jahren Spielleiterdasein habe ich jetzt wirklich einigen Spielrunden beigewohnt, sei es als Spieler oder Spielleiter. Helden kamen, Helden gingen und nicht wenige Spielrunden erlitten das traurige Schicksal, irgendwie in der Versenkung zu verschwinden. Auch wenn eine Session 0 (Mehr dazu findest du auf meinem WordPress Blog hier: https://tiefwasser.home.blog/2019/06/10/das-ubel-bei-der-wurzel-packen-oder-die-wichtigkeit-einer-session-0-teil-1/) gemeinsame Wünsche, Grenzen und einen Verhaltenskodex absteckt, so muss ich oftmals feststellen, dass die Teilnehmer einer Runde dennoch mit unterschiedlicher Motivation und  divergierenden Erwartungshaltungen ins Spiel gehen und es dann, bei längerer Spieldauer, zu Reibereien kommt.

Streitigkeiten müssen nicht zwingend schlecht sein, denn wenn ein Konflikt vernünftig geführt wird und es zu einem Konsens kommt, mit dem alle Parteien leben können, bringt dies eine Spielgruppe auch weiter.  Allerdings sind Streitigkeiten ja auch etwas, das man vermeiden möchte – und während eine Session 0 die spielerischen Vorlieben und No-Goes aller Beteiligten thematisiert, möchte man es ja auch nicht ins Unendliche strecken, um jeden möglichen Konfliktherd aus der Welt zu schaffen. Viel sinnvoller ist eine Session 0 meiner Meinung nach dann, wenn alle mit dem gleichen Ziel und einem gemeinsamen Nenner, was sie voneinander erwarten, in eine solche Sitzung starten.

Ich denke, dass eine Rollenspielrunde doch maßgeblich durch einen (vielleicht unausgesprochenen) Vertrag zwischen allen Teilnehmern der Spielrunde bestimmt wird. [Geholfen hat mir bei dieser Feststellung auch das Video von Seth Skorkowski, Titel: The RPG Social Contract (Revised) – RPG Philosophy, URL: https://www.youtube.com/watch?v=KBymJBOjwEc (zuletzt besucht am 17.05.2020)]  

Das Problem ist aber, dass die Wahrnehmung der eigenen Rolle vielleicht gar nicht so klar ist, wenn sie nicht im Vorfeld durch einen sozialen Vertrag definiert und verbalisiert wurde. Ein Vertrag ist ja, laut Duden, eine rechtsgültige Abmachung zwischen zwei oder mehreren Partnern; ein Rollenspielvertrag wäre dann eine gegenseitige Abmachung zwischen Spielleitern und Spielern – sowie den Spielern untereinander – über die Aufgaben und Funktionen, die sie an einem Spieltisch während einer Spielrunde haben, um gemeinsam Spaß zu haben. Das bedeutet: Will man einen solchen Vertrag im Vorfeld aussprechen, um sicher zu stellen, dass eine Gruppe langfristig am gleichen Strang und Spielspaß aus der Sache zieht, sollte man sich darüber unterhalten. Doch aus dem Nichts entsteht ein solcher Vertrag nicht.

Und weil ein Spielleiter dann also auch Teilnehmer der Runde ist und der Spielleiter eigentlich die wichtigste Person am Spieltisch ist, macht es für mich Sinn, als Spielleiter einen solchen Vertrag zu formulieren. Wobei ich, wenn ich ein Spieler in einer Runde wäre, dies genauso betrachten würde, d.h. ich habe mir im Vorfeld natürlich auch Gedanken gemacht, dass der Vertrag aus der Spielerperspektive sinnvoll erscheint.

! Bevor jemand meckert: Doch, ich glaube, die Spielleitung ist die wichtigste Person am Tisch. Klar geht es darum, dass die Spieler im Fokus stehen, Spaß haben und ihre Charaktere spielen können. Aber das geht nur, wenn ein Spielleiter dabei ist, denn ohne Spielleiter gibt’s keinen Plot, keine Nichtspielercharaktere, keine Spielwelt, kurzum: keine Spielrunde. Suck it up, damit ist der Spielleiter die wichtigste Person am Tisch – und diese Person verdient es als gleichberechtigter Teilnehmer des Spiels, Spaß zu haben !

So sähe das schon sehr episch aus!
„Conditions of Engagement“ by Shadowfoot is licensed under CC BY-NC-SA 2.0

Sinn und Zweck des Vertrags

Wenn wir alle unsere Zeit dahingehend investieren, gemeinsam kooperatives, narratives Storytelling zu betreiben, wollen wir den größtmöglichen Spaß und einen möglichst geringen Frustfaktor für alle Teilnehmer der Spielrunde erreichen.

Die Funktion des Spielleiters

  1. Plotentwickler: Als Spielleiter hat man die Aufgabe, einen Plot zu entwickeln. Man gestaltet die wesentlichen Bestandteile, welche die Grundstruktur für ein Abenteuer oder Kampagne bilden und auf deren Grundlage die Spieler dann eine Story gestalten. Damit übernimmt man auch weitestgehend die Aufgabe, alle nicht von den Spielern gesteuerte Charaktere in der Spielwelt zu übernehmen, auszugestalten und mit der Story zu verbinden als auch weitestgehend die Spielwelt im Blick zu haben und zu kennen.
  2. Vermittler: Als Mediator zwischen den einzelnen Gruppenmitgliedern ist es die Aufgabe der Spielleitung, zu vermitteln, wenn es zu einer Situation kommen sollte, in der sich zwei oder mehr Teilnehmer der Spielrunde uneinig sind. Dabei ergreift man keine Partei, sondern versuche, eine Einigung zu erreichen, die bei allen Beteiligten zu einer Einsicht führt und den Fortbestand der Spielrunde gewährt.
  3. Schiedsrichter: Spielleiter sind Schiedsrichter. Im Zweifelsfall entscheiden sie, wie eine Situation gelöst wird – dabei sollte es das oberste Gebot sein, dass das Spiel nicht zum Erliegen kommt. Insofern trägt der Spielleiter auch die Aufgabe, die grundlegenden Mechaniken und Regeln des Spielsystems zu kennen und anwenden zu können. Dabei kann ein Spieler als Regelbeauftragter Regeln nachschlagen, damit es bei einer wiederholten Situation zu einer korrekten Anwendung der Regeln kommt – aber bevor das Spiel für 3 Minuten unterbrochen wird, um eine Regel nachzulesen, spielt man lieber weiter und hält den Spielfluss aufrecht.
  4. Ein Spielleiter übernimmt nun also in Personalunion sehr viele Aufgaben, die dann in der konkreten Umsetzung und Anwendung während des Spiels viel Aufmerksamkeit erfordern.

Zudem möchte man auch Spaß haben, also, die Rollenspielrunde genießen können und kein „Verwalter“ sein, dem der Schweiß den Rücken runter läuft. Damit das klappt, übernehmen  Spieler auch Funktionen, derer sie sich bewusst sein müssen, wenn man eine gemeinsame, schöne Spielrunde will.

Die Erwartungen an die Spieler und ihre Funktion

  1. Kenne die Regeln: Außer es handelt sich um eine ausgewiesene Einsteiger- oder Quickstarterrunde, sollte man erwarten dürfen, dass die Teilnehmer die grundlegenden Regeln kennen. Dies bedeutet, dass sie das Regelwerk lesen. Natürlich muss man nicht alle Regeln im Detail verstehen und schon gar nicht auswendig kennen – aber Spieler sollten sie gelesen haben und mit den Begriffen etwas anfangen können. Je häufiger gespielt wird, sollten die Regeln angewandt werden können – denn nichts ist nerviger, als jedes Mal eine Regel nachzufragen und damit allen Teilnehmern der Spielrunde den Spaß zu verderben, weil das Spiel zum Erliegen kommt. [Wichtig: Es kann immer mal wieder zu Unklarheiten kommen. Das ist kein Problem – dafür kann der Regelbeauftragte gerne nachschlagen, nachdem die Situation schnell gelöst wurde. So etwas ist etwas anderes, als immer wieder grundlegende Mechaniken nicht zu kennen!]
  2. Charakter und Rolle: Es klingt banal, aber wer an einem Rollenspiel (mit mir?) teilnimmt, möchte eine Rolle spielen. Deswegen ist es wichtig, dass ein Spieler seinen Charakter UND seine Rolle kennt. Um es noch einmal deutlich zu machen – dies sind für mich zwei Aspekte der gleichen Sache. Unter Charakter sind die regeltechnischen Eigenarten des „Avatars“, den der Spieler im Spiel bedient, zu verstehen. Ein Spieler weißt also, welche Zauber, Talente, Fähigkeiten, Waffen etc. der Charakter besitzt und kannst sie in ihren Eigenarten anwenden, ohne, dass jedes Mal nachgeschlagen werden muss, wie das funktioniert. Bezüglich der Rolle sollten die Eigenarten des Charakters bekannt sein und im Spiel angewandt werden, damit alle Beteiligten die Illusion haben, wirklich „ein Spiel mit Rollen“ zu erleben. Dazu gehört nicht zwingend, mit verstellter Stimme und Theaterspiel der Rolle Leben einzuhauchen, sondern die Rolle in ihren Eigenarten und aufgrund der Elemente ihrer Hintergrundgeschichte auszubauen, um einen plastischen, interessanten Avatar darzustellen, mit dem man interagieren kann.
  3. Spaßgarant für alle: Wenn jemand an (m)einem Spieltisch sitzt, möchte man, dass alle Teilnehmer der Spielrunde Spaß haben. Da es nach nicht mit Phrasen wie „Don’t be a dick!“ getan ist, bedeutet dies konkret:
    1. Man lässt anderen Teilnehmern die Freiheit, selbstbestimmt ihren Charakter und ihre Rolle zu gestalten und auszuführen
    1. Man respektiert die Handlungen, das Eigentum und Leben der anderen Rollen
    1. Man spielt mit der Gruppe, mit der Story und mit der Handlung mit
    1. Man kooperiert mit seiner Gruppe

Anmerkung: Es kann immer im Rollenspiel zu Situationen kommen, wodurch dieses Verhalten nicht einhaltbar ist – das ist doch völlig klar! Rollenspiel ist keine rosarote Regenbogenwelt im Stil eines verkitschten Miteinander ohne Konflikte. Rollen widersprechen sich schon einmal und streiten im Spiel miteinander, Nichtspielercharaktere können die Kontrolle mittels Magie oder Technologie über die Rollen übernehmen und zu Handlungen zwingen, die eine andere Rolle verletzen. Aber dann ist doch allen Beteiligten klar, woran dies liegt.   

  • Kenne die Spielwelt: Um wirklich in die Immersion eines Rollenspiels eintauchen zu können, sollte man die Spielwelt kennen. Ich bin immer noch der Meinung, dass ein Rollenspiel erst dann Spaß macht, wenn einem auch die Spielwelt gefällt. Durch diese von innen heraus kommende (sprich: intrinsische) Motivation setzt man sich mehr mit der Spielwelt auseinander und wird somit seine Rolle facettenreicher spielen können, Hintergrundgeschichten opulenter gestalten, die eigene Rolle mit mehr Leben und Eigenarten füllen  – und das macht letztendlich den Spaß im Rollenspiel aus.

Wir betreiben kooperatives Storytelling – also müssen wir uns verstehen

Sehr viele Rollenspieler haben verblümte, idealisierte Vorstellungen über „ihre erste Rollenspielrunde damals, als wir alle noch jung und faltenfrei waren“. Ich gehörte ja auch dazu! Meiner Meinung nach liegt das aber daran, dass man überwiegend mit seinem Freundeskreis gespielt hat, den man aufgrund des Alters als auch der Lebensumstände deutlich häufiger gesehen und miteinander interagiert hat. Ob nun als Schüler an der Schule, Jugendliche im selben Ort/Stadt, Studenten an der Uni etc pp., aufgrund der gemeinsamen Nähe und des gemeinsamen Austauschs wusste man, wie die andere Person tickt. Dies beeinflusst dann auch das Spiel, da man indirekt sein gemeinsames Geschichtenerzählen, aufgrund des Hintergrundwissens über die Freunde, angepasst hat. Heutzutage, mit allerlei Verpflichtungen wie Arbeit, Familie, Wohnraum, Wäsche, Rechnungen, die bezahlt werden müssen, und nicht zuletzt einem digitalen Leben, das einem konstant Zeit raubt, ist eben diese Zeit ein so kostbares Gut geworden, dass man sich viel weniger gemeinsam treffen und quatschen kann. Dies halte ich aber für unbedingt notwendig – ich möchte die Leute kennen, mit denen ich spiele. Vielleicht werden wir nicht „beste Freunde, wie damals mit 16“, aber ich bin der festen Überzeugung, dass eine Spielrunde SO VIEL BESSER ist, wenn man auch neben den Spielrunden in den Dialog tritt. Treffen wir uns nur zu Spielsitzungen, weil wir uns sonst wenig zu sagen haben, liegt da schon der Hase im Pfeffer – dann reicht es vielleicht für ein kurzes Abenteuer über 5-10 Spielsitzungen, aber nicht für eine längerfristige Kampagne.

Fazit: Lasst uns gemeinsam spielen!

Damit Spielleitung und Spieler gemeinsam eine Narrative (Erzählung) entwickeln, müssen wir uns verstehen. Im Internet(z) auf Mitspielerfang zu fischen und sich erst in einer Session 0 kennen zu lernen endet zumeist fatal. Man sollte sich schon kennen, bevor man gemeinsam Rollenspiel spielt. Ob man sich nun auf einem Discord-Server über Filme, Musik, Politik etc. austauschen, gemeinsam eine Partie „Cards against Humanity“ über das Internet zocken, über bösartige Witze lachen, altmodisch Briefe schreiben (das wäre doch mal was!) – all das ist das Salz in der Suppe einer guten Rollenspielrunde. Dafür ist es auch nötig, dass man lernt, ehrlich miteinander zu sein, wenn einem das Verhalten einer anderen Person gegen den Strich geht. Je länger man sich dann schon kennt, desto einfacher ist es, sich „die Meinung ins Gesicht“ zu sagen und danach weiter zu spielen. Das ist die Grundlage von erwachsenem Handeln und sollte etabliert sein, bevor man sich regelmäßig für das Spiel trifft. Viele Spielrunden sind daran zerbrochen, dass man mit fortlaufender Spieldauer feststellen musste, dass es menschlich mit Teilnehmern überhaupt nicht klappt. Sobald das eintritt, ist der Drops gelutscht und die Spielrunde wird scheitern (ob nun mitten im Spiel oder nach Beendigung des Abenteuers).

Setzt also gemeinsam einen Vertrag auf – die obigen Punkte sind meine Sicht der Dinge! – oder sprecht untereinander über eine solche Vereinbarung.

Happy gaming! „Stained Glass d20“ by Bloodthirsty Vegetarians is licensed under CC BY-NC-SA 2.0

Die drei Säulen des Rollenspiels – ein Garant für ewigen Spielspaß oder ein Trugschluss, der ins Leere führt?

Wer sich etwas mehr mit der Theorie hinter dem Thema Rollenspiel auseinander setzt, hat vermutlich schon einmal etwas von den „Drei Säulen des Rollenspiels“ gehört. Verkürzt und vereinfacht gesprochen, handelt es sich um die drei wesentlichen Bestandteile eines Rollenspiels: Erkundung (exploration), Eine Rolle spielen (roleplay) und Kampf (combat). Diese sind, für jede Rollenspielsitzung, unterschiedlich verteilt bzw. kommen zu einem unterschiedlichen Prozentsatz häufig vor – und an dieser Grunderkenntnis kann man auch gar nicht groß rütteln. Somit ist es ein probates Mittel einer Session 0, die Spielerinnen und Spieler zu fragen, welche Verteilung der drei Säulen sie gerne haben und worauf ihr persönlicher Fokus liegt. Obwohl man alles genau abgefragt hat, merkt man plötzlich: irgendwie haben wir alle nicht mehr so richtig viel Spaß am Spiel. Woran liegt es, die drei Säulen werden doch bedient? Warum schalten zu verschiedenen Zeitpunkten die Mitstreiter ab, wenn Rollenspiel, Erkundung und Kampfsequenzen bedient werden und warum verliere ich als Spielleiter zusehends das Interesse an meiner Runde?

These: Das Spiel scheitert, weil die Wünsche der Spielleitung das Spiel bestimmen

In der Vergangenheit habe ich meine Mitspieler gerne gefragt, zu wie viel Prozent sie diese Säulen für sich gewichten und welchen Raum eben jene Situationen dann im Spiel einnehmen sollen. Dann bekommt man Zahlenwerte und weiß, dass eine Spielrunde beispielsweise gerne mit Fokus auf die Charaktere „ihre Rollen spielen“ wollen. Soweit, so gut.

Als Spielleiter plane ich aber den Plot eines Abenteuers oder einer Kampagne. Dabei werde ich aber ungeachtet der Länge, die man spielt [mehrere Abende oder eine über einen längeren Zeitraum geplante Kampagne], bei den möglichen Szenen oder Spielsitzungen einen Fokus auf eine der drei oben genannten Säulen legen und somit meine Planung dahingehend ausrichten. Natürlich kommen dann die anderen Säulen auch vor, aber eben mit geringerer Gewichtung. Wer mich kennt, weiß, dass ich ein großer Fan von Guy Sclanders bin. Unter seinem Alias „How to be a great GM“ hat er den berühmtberüchtigten Satz als Planungsgrundlage aller Rollenspielabenteuer erarbeitet: „Jemand will etwas zu einer bestimmten Zeit, hat aber Probleme, dies unter Benutzung von xyz zu erreichen, denn 123 stört ihn daran“. Wenn ich jetzt also mit Hilfe dieses Satzes einen Plot erarbeitet habe (oder aber auch anders. Viele Wege führen ja nach Rom und Guys „Satz“ ist ja nicht die einzige, richtige Art und Weise, seinen Plot zu planen), überlege ich mir in der Folge mögliche Szenen (als eigenständige Sitzungen oder tatsächliche Szenen in einer Sitzung), welche den Plot entwickeln.

Ist nun mein Fokus als Spielleiter dabei die Kampf-Säule, weil ich unbewusst ein ganz großer Fan von Mikromanagement der Talente bin und einen großen Spaß daran habe, taktische Kämpfe zu spielen, so wird vermutlich ein großer Teil meiner Szenen (unbewusst) auf Kämpfe ausgelegt sein. Die Krux daran: wenn die Spieler aber größtenteils „ihre Rolle spielen“ wollen, so werden sie vermutlich versuchen, alternative Wege zu finden, um Kämpfen auszuweichen. Auch wenn ich als Spielleiter so offen bin, dass ich andere Optionen zulasse und somit Kämpfe weitestgehend vermieden werden können, so wird mein persönlicher Spaß nicht berücksichtigt, da ich ja eigentlich gerne kämpfen will. Ergo: Ich verliere zusehends die Lust an der Spielrunde und nach einer gewissen Zeit ist die Luft raus.

Antithese: Bei einer Spielgruppe geht es um die Spieler, nicht um den Spielleiter.

Gerade auf Youtube-Kanälen und „Spielleiter-Tricks-Videos“ hört man es wie ein Mantra: Ein guter Spielleiter wird sich den Wünschen seiner Spieler unterordnen, da es nicht darum geht, dass er „seinen Plot und seine Story“ umsetzt und die Spieler unterbewusst zu Szenen zwingt, die sie so nicht spielen wollen (z.B. dauernd zu kämpfen). Richtig so – es ist nicht „das Spielleiterspiel“ mit unbedeutenden Figuren, sondern es geht um den Spaß aller. Ist man also nicht in der Lage, seinen Spaß dem der Gruppe unterzuordnen, so ist dies ein grundsätzliches, individuelles Problem DER Person, die das Spiel an sich reißt. Das Spiel scheitert vielmehr also nicht an dem/der Spielleiter*in, der/die das Interesse verliert, sondern es scheitert, weil das Spiel für alle eine unbefriedigende Erfahrung ist und deswegen langweiliger wird. Einerseits für die Spieler*innen, die also zu häufig Szenen vorgesetzt bekommen, welche ihrem Spielstil nicht unbedingt entsprechen (in dem o.g. Beispiel zu viele Kämpfe, deren alternative Bewältigung unmöglich, hakelig oder unbefriedigend ist), aber andererseits, weil der Spielleiter dem Wunsch nach seinem Spielstil nicht umgesetzt sieht.

Wie kann man also diesem Problem entgehen?

Synthese: Wie so oft, reden hilft – aber man muss auch nein sagen können!

Ich habe in der Vergangenheit schon darauf hingewiesen, wie wichtig eine „Session 0“ ist. Allerdings habe ich für mich festgestellt, dass man als Spielleiter bei einer solchen Sitzung nicht nur die Wünsche der Spieler*innen abfragen und sklavisch umsetzen sollte, sondern im Sinne eines gemeinsamen Spielspaßes auch für sich das Recht in Anspruch nehmen sollte, eigene Wünsche zu berücksichtigen. Denn ein wichtiger Aspekt einer Hobbyrunde sollte sein, dass ALLE Teilnehmer der Runde Spaß haben – und nicht die einen oder die anderen. Natürlich, wie so oft im Leben, sucht man dabei einen Konsens. Aber ich finde es wichtig, zu unterstreichen, dass man sich im Vorfeld (ob als Spieler*in oder Spielleiter*in) genau überlegt, welche Kompromisse man eingehen kann. So wäre ich der völlig falsche Spielleiter für eine Rollenspielrunde, deren primärer Fokus auf taktische, Fähigkeitenbasierte und regelgenaue Kämpfe liegt. Wie in meinem Video zu Virtual Table Tops dargestellt empfinde ich Kämpfe (mittlerweile) als einen ziemlichen Narrativekiller und hätte deswegen an einer solchen Spielrunde keinen Spaß. Damit meine ich nicht (nur), dass ich durch meine „Anti-Haltung“ die Stimmung ruiniere und alle Beteiligten dadurch den Spaß verlieren, sondern dass, selbst wenn ich es ernsthaft versuche einen Fokus im Spiel zu verfolgen, der nicht meinem Persönlichen entspricht, ich als Spielleiter nur bedingt dazu in der Lage bin, diesen Spielaspekt authentisch und proaktiv umzusetzen, wodurch die Unterhaltung und eine gelöste Kurzweiligkeit auf der Strecke bliebe. Die Spieler, die nur danach lechzen, taktische, würfelintensive Kämpfe auszutragen, würden dies sofort spüren und sich nicht so unterhalten fühlen, wie von einem ihnen gleichgesinnten GM, der zu 100 Prozent hinter kampfintensiven Runden steht, obwohl ich vielleicht sogar im gleichen Ausmaß Kampfszenen integriert hätte. Schlicht und ergreifend: Bin ich ehrlich, müsste ich einer Gruppe von Spieler*innen, die ein solches Spiel in den Vordergrund stellen wollen, absagen müssen. Ich müsste „nein“ sagen.

Andererseits bin ich ein großer Fan von Spielwelten und deren Geschichte – dies sollte ich zukünftig dann auch klarer kommunizieren, dass dies ein für mich wichtiger Aspekt des Spiels ist und viele Nichtspielercharaktere, Plot-Elemente etc. darauf basieren, dass Spieler*innen ein Interesse an der Welt haben. Denn genauso könnten potenzielle Mitspieler*innen sagen, dass diese Art des Spiels für sie uninteressant ist und ihnen wenig Spaß macht.

Anzumerken bleibt, dass ich aufgrund der Erkenntnisse meiner Synthese auch die völlig falsche Person wäre, um als „professioneller Spielleiter“ Sitzungen gegen Geld anzubieten. Oder zumindest ein sehr armer, professioneller Spielleiter wäre: Ich könnte exakt meine Art des Spiels anbieten und dafür Geld verlangen. Ob das reicht, um ein Spiel professionell zu betreiben, das halte ich für fraglich. Aber vielleicht ist das ja ein Thema für einen weiteren Artikel!

Wie so oft im Leben: Man lernt nie aus, sondern immer dazu. Auch nach 25 Jahren als Spielleiter mache ich immer noch Fehler, das ist völlig normal. Wichtig ist, dass man selbst daraus dazu lernt und zukünftig Fehler nicht wiederholt.

Oloré

Stephan

Initiative – überholtes Regelwerk oder notwendiges Synchronschlagen?

Initiative – langweiliges Rundengehacke.

Was genau ist eigentlich Initiative? Der Begriff hat einige Bedeutungen (Entschlusskraft, Unternehmungsgeist, erster tätiger Anstoß zu einer Handlung, erster Schritt bei einem bestimmten Handeln), die in unterschiedliche Richtungen zielen. Für das Rollenspiel ist Initiative aber eigentlich recht eindeutig definiert:

Reihenfolge, in der in einer Kampfhandlung Aktionen ausgeführt werden, abhängig von der Geschicklichkeit und situativen Boni der Kombattanten.

Mit Realismus hat das wenig zu tun (Warum ist meine Geschicklichkeit ausschlaggebend dafür, wie schnell ich in einer Krisensituation auf Leben und Tod reagiere?), wenn es auch eigentlich aus dem Versuch entstanden ist, in eine künstliche Situation Realismus hineinzutragen. Jetzt haben die wenigsten von uns, Gott sei Dank, Kriegs- oder Kampferfahrung, ein paar kennen sich vielleicht noch in Kampfsportarten aus, aber wirklich kaum jemand von uns geht regelmäßig in einen Schwertkampf mit Gegnern und völlig ausgeschlossen ist, auch wenn meine Tochter gerne Elsas Eisstrahlen nutzt, um den Besuch einzufrieden, die Nutzung von Magie.

Da man all dies aber in einer fantastischen Welt (auch) erleben will, hat man zu Beginn der Entwicklung dieses Spiels ein Regelkorsett erschaffen, um lästige Diskussionen am Spieltisch zu vermeiden und klare Reihenfolgen zu verteilen. Wie oft habe ich aber die Diskussionen sowohl als Spieler oder auch als Spielleiter mitverfolgt, als jemand in der vom System zur Verfügung gestellten Zeit etwas ausführen wollte, dass dann die Handlung der nachfolgenden Person negativ beeinflusste. „Wie, du rennst in 6 Sekunden also knapp 8 Meter, holst mit dem schweren Ding von Waffe zweimal aus, verschnaufst, haust wieder zweimal zu, um dann noch ein Manöver auszuführen und den Gegner zu schubsen, der dadurch über die Brüstung fällt – dann kommt ein Gegner angeschossen, schlägt Bastian K.O. und daneben gehen die Orks mit den Zwergen in den Nahkampf, und ich stehe da mit meiner geladenen Armbrust und warte wie ein klein Doof, bis ich dann *pling* einen Bolzen abschieße, der verfehlt, um jetzt wieder 15 Minuten zu warten, bis ich dran bin?“

Und ja, stellt man sich diese Situation tatsächlich einmal vor, ist Initiative völlig meschugge. Besonders auffällig wird es dann, wenn man Bücher liest, in denen Autoren die Dramatik, Angst und Bedrohung einer Kampfhandlung einfangen und man dann überlegt, wie das jetzt nach den D&D Regeln ausgesehen hätte. Klar, ein Buch ist keine Rollenspielsitzung, aber wenn man, inspiriert von einem Buch, mit seinem Dunkelelfen-Waldläufer „Drozzt Do’Orden“ im zweihändigen Kampf durch die Gegnerreihen tanzen möchte, ist die Ernüchterung groß, wenn die Initiative sagt, dass man erst einmal zum Zuschauen verdammt ist.

Besonders ist mir dies in der zweiten Sitzung meiner Spielrunde „Die Splendors“ aufgefallen, wo die Gruppe, wie immer, all over the place war und somit auch drei verschiedene Gruppierungen an Gegner inkl. drei Nichtspielercharakter(gruppen) die Initiative-Reihenfolge aufblähten. Das Feedback der Mitspieler entsprach auch meiner Wahrnehmung: Gefühlter Stillstand für den Einzelnen, langweilige, mangelnde Kommunikation in der Spielrunde, weil man viel zu sehr mit der eigenen, unmittelbaren Aktion beschäftigt war.

Halten wir fest: Initiative ist unrealistisch, langatmig und lässt Kampfsituationen zu zum Teil abendfüllenden Foltereinheiten verkommen.

Netz-Varianten.

Schaut man im Netz um, findet man zahlreiche Alternativ-Varianten. Da gibt es sicherlich noch mehr, aber meistens kocht es sich auf folgende Möglichkeiten herunter:

Alternative 1: Die Spieler kommen immer zuerst dran und würfeln nur untereinander ihre Initiativereihenfolge aus. Ihr seid Helden, also Helden first. Einzige Ausnahme, die Gegner haben euch überrascht, dann sind erst die Gegner in ihrer Überraschungsrunde dran, danach wieder die Helden etc.. Vorteil: Erst alle Spieler, die sich auch absprechen können, D&D Regeln und Optionen funktionieren normal. Nachteil: Gegner sind dadurch extrem benachteiligt und Encounter werden zwangsläufig etwas leichter (kann man durch mehr Gegner unterfüttern, finde ich aber etwas uninspiriert).

Alternative 2: Gegner und Helden würfeln einfach einen W20. Wer den höheren Wert hat, ist zuerst dran, die Helden legen durch einen Initiative-Wurf ihre Reihenfolge untereinander fest. Im Grunde also wie gerade beschrieben, mit dem Unterschied, dass auch mal die Gegner zuerst zuhauen dürfen. Nachteil: Kann unter Umständen ganz schnell zu Total Party Kills führen, weil die Gegner ohne Gegenwehr die Helden niedermetzeln [kann aber auch im regulären System passieren, wenn zwei starke Gegner hoch auf Initiative würfeln und dann Feuer und Säure auf die Helden prasseln lassen.].

Alternative 3: Wie von Mike Mearls wohl auf Fan-Conventions benutzt: Aktionen haben je nach Schnelligkeit einen Würfel für die Initiative. Fernkampf w4, Bewegung w6, Nahkampf w8, Zauber w10. Alle würfeln, Spielleiter sagt: „Wer hat ne 1? Okay, ihr seid zuerst dran… wer hat ne 2? Okay, jetzt seid ihr dran. 3? 4? 5? …“. Vorteil: Bestimmte Aktionen sind einfach schneller, es ist also minimal mehr Realismus drin. Nachteil: Ganz viele, u.a. ein unglaublich langweiliges Abfragen von Zahlen und aufeinanderfolgenden Aktionen, Immersion geht flöten, das eignet sich m. M. nach nur für One-Shots mit Kampffokus.

Richtig glücklich machen diese also alle nicht.

Make Initiative Great Again? Ich trumpf dich aus!

Dann bin ich über einen sehr interessanten Ansatz gestolpert und möchte hier einmal die Regelungen, welche von dem Youtube-Kanal „Dungeoncraft“ in dem Video „DungeonCraft #6: No More Initiative! “¹ dargestellt werden, beschreiben.

  1. Jeder Mitspieler sagt, was er machen möchte. Sobald dies festgelegt wird, kann man die Aktion nicht mehr abändern.
  2. Alle Teilnehmer der Kampfhandlung würfeln ihre Angriffswürfel und Schadenswürfel gleichzeitig. Fernkampf- und Zauberangriffe [Ausgenommen Zauber, die 1Min Zauberzeit oder so etwas benötigen] sind dabei schneller als Bewegungen und Nahkampfattacken.
  3. Die Würfe werden ausgewertet und der Spielleiter stellt die daraus resultierende Situation dar.

Was auf den ersten Blick ganz furchtbar unorganisiert und nach Spielleiterwillkür aussieht, kann durchaus funktionieren, ist aber – gerade, wenn man mit Initiative groß geworden ist – eine deutliche Umstellung und abstrakter, als eine klar definierte Reihenfolge. Machen wir das Ganze mal beispielhaft:

Die Splendors kommen zu dem Warenhaus, in dem sie den Freund Volothamp Geddarms vermuten. Ein Blick in das Innere des Gebäudes offenbart ihnen, dass dort wohl etwas im Schatten herumschleicht. Wie IMMER teilt sich die Gruppe auf: Dagnal schleicht durch die Eingangstür, Tony will durch das Fenster springen, Milo zündet im Hintergrund ein Gebäude an und Thalia hält Hanrels Schulter fest, der sich die Hand vors Gesicht hält. [Wer sehen will, wie das Ganze mit Initiative aussah, schaut Folge 3 von Tiefwasser:Drachenjagd].

Als Tony am Fenstersims hängen bleibt und mit tosendem Gerümpel in den Kisten landet, beginnt die Kampfhandlung. Ich erzähle als Spielleiter Folgendes: „Aus der Dunkelheit schießen zwei vogelhafte Kreaturen auf dich zu, Tony. Sie tragen Kurzschwerter und kreischen unverständliche Laute. Dagnal, du siehst bei einer Holztreppe vier weitere dieser Kreaturen, die aufgeregt gackern und die gefiederten Hälse recken, um zu sehen, was ihre Kameraden da attackiert, doch viele Kisten in dem Raum versperren ihnen das Sichtfeld. Dadurch konntest du aber unbemerkt in den Raum schleichen. An alle Spieler: Ihr habt jetzt eine Minute Zeit, zu beratschlagen, was ihr machen wollt!“

Tony: „Ich rappel mich auf und versuche, mich zu verteidigen, evtl. eins der Viecher abzumurksen.“

Hanrel: „Oh man, bekommt Hanrel das von draußen mit?“
Spielleiter: „Ja, du kannst durch das Fenster blicken von dort, wo du stehst.“
Hanrel: „Okay, dann will Hanrel direkt reagieren und durch das Fenster hechten, um Tony Rückendeckung zu geben!“

Thalia: „Passe ich auch durch‘s Fenster?“
Spielleiter: „Nein, da passt nur eine Person durch!“
Thalia: „Okay, dann denke ich, würde Thalia durch den Vordereingang laufen.“

Dagnal: „Ich nutze das, um unbemerkt hinter eins der Vogelviecher zu kommen und es als Geisel zu nehmen.“

Milo: „Milo läuft hinter Thalia her und brüllt die ganze Zeit ‚Verdammt, verdammt!‘.“

  • Alle würfeln ihren 20seitigen Würfel und rechnen die Boni darauf. Hanrel könnte hier zwei Würfel nehmen (einen für den Sprung durch‘s Fenster, den anderen für den Fernkampfangriff) oder aus cineastischen, du-bist-ein-Held Gründen kann man dem Waldelfen den Sprung auch einfach durchgehen lassen. Tony und Hanrel benutzen also ihre Angriffsboni, Dagnal ihren Wert auf Heimlichkeit, Milo und Thalia brauchen gar nicht würfeln, da sie gar keine Handlung vornehmen, welche mit anderen Kampfteilnehmern interagieren. Die zwei Kenkus bei Tony würfeln ihre W20 für den Angriff auf Tony (sie können nicht auf Hanrel umschwenken, es wurde im Vorfeld gesagt, was sie vorhaben und niemand kann in 6 Sekunden einfach so die Handlung abändern), die vier Kenkus an der Treppe bleiben stoisch stehen und würfeln also nicht.
  • Tony würfelt eine 18, Hanrel eine 5, die Kenkus eine 20 und eine 15. Dagnal hat eine 22 erwürfelt. Tony verrichtet 6 Schaden (reicht nicht, um einen Kenku auszuschalten, der kritische Treffer des Kenkus verrichtet 11 Schaden, der andere reguläre Treffer 5, insgesamt 16 Schaden, genug, um den Stufe 1 Tony auszuschalten. Dagnals 22 reicht aus, um unbemerkt einen Kenku als Geisel zu nehmen.

Spielleiter: „Hanrel schwingt sich durch das Fenster, landet neben der Kiste und lässt aus der Bewegung einen Pfeil fliegen, der aber an der geduckten Vogelkreatur vorbei saust. Tony rappelt sich auf und schlägt einem Vogelvieh auf die Schulter, doch das Wesen nimmt den Schlag in Kauf und rammt dir sein Kurzschwert in den Bauch. Das zweite Ding nutzt Tonys Verblüffung und Ablenkung über den plötzlichen Schmerz aus und sticht dem Gnom in die Seite, woraufhin Tony einen Schwall Blut hustet und zusammenbricht. Beide Vögel schauen aber keine Sekunde länger auf den sterbenden Gnom, sondern gackern Hanrel an, auf den sie jeden Moment mit ihren Klingen losgehen wollen, wobei einem der Arm schlaff herunter hängt, wo Tony ihn getroffen hat und etwas Blut aus der Atemöffnung im Schnabel rinnt. Die vier an der Treppe stehenden Kenkus sind aufgesprungen, als Thalia und Milo an ihnen vorbeischossen – doch einer von ihnen gibt einen überraschten Laut von sich, der klingt, als würde ein Mann mit tiefer Stimme „Zu Hülf“ rufen, denn plötzlich hat Dagnal ihn im Griff und hält eine Klinge an sein Auge. Somit blicken die Kenkus für einen Augenblick zwischen Dagnal, Milo und Thalia hin und her und schnattern.“

  • Die Spieler würden jetzt wieder eine Minute bekommen, um sich zu beratschlagen, was sie machen wollen. Die zwei Kenkus bedrohen Hanrel, die anderen vier brauchen die 6 Sekunden, um zu entscheiden, ob sie treu ihrer Mission bleiben und ihr Leben riskieren oder doch den Rückzug antreten wollen. Hanrel ruft um Hilfe, während er sich und sein Leben verteidigt, Dagnal möchte durch Einschüchterung mit der Kenkugeisel die anderen dazu bewegen, abzurücken, Thalia und Milo sprechen sich ab und Thalia argumentiert, dass sie zu Hanrel läuft sobald dieser um Hilfe ruft [da würde Thalia direkt loslaufen und alles vergessen!], während Milo sein Schwert zieht, um Dagnals Einschüchterung zu unterstützen. Alle würfeln, blablabla… Die grundlegende Idee sollte jetzt eigentlich klar sein, wie dieses System funktioniert.

Meine Überlegungen zu Vor- und Nachteilen sind:

Vorteile:

  • Die Spieler planen gemeinsam, wie sie vorgehen. Sprich, sie kommunizieren miteinander. Großes Plus!
  • Durch das Gespräch miteinander kann man sich die Situation m. M. nach besser vorstellen. Großes Plus!
  • Die Spieler versuchen, sich in ihren Handlungen zu unterstützen und miteinander zu agieren, weil man nicht mehr auf seine eigene Aktion „irgendwann in 10 Minuten“ fixiert ist, sondern auf die gemeinsame Narrative. Definitives Plus!
  • Kampfhandlungen werden dramatischer, weil alles wie ein gleichzeitiges Scharmützel erscheint und es nicht mehr wie ein rundenbasiertes Computerspiel, sondern eine hektische, lebensbedrohliche Situation wirkt. Kleines Plus, denn es geht auch Übersicht verloren.

Nachteile:

  • Als Spielleiter schwadroniert man unglaublich viel. Beim Runterschreiben bin ich schon von mir selbst genervt – für Spielleiter, die sich gerne selbst viel reden hören, sicher toll. Ich möchte aber, dass die Spieler ihre Kampfhandlungen selber beschreiben und nicht nur beschreiben dürfen, wie sie einen Gegner effektvoll und blutrünstig umbringen. Großes Manko! Hier müssten wir schauen, wie man die Narrative gemeinsam gestalten kann – oder sehe ich das vielleicht als zu großen Nachteil, denn man kämpft ja nicht ständig?
  • Initiative gibt klare Ereignisse, die das weitere Geschehen beeinflussen – so hätten die Kenkus z.B. Tony niedergestochen, bevor er jemanden hätte verletzen können. Kann man natürlich auch so erzählen („Bevor du dich aufrappeln kannst, sind die Vögel über dir und stechen dich ins Nirvana.“). Gehen wir aber in die vielfältigen Handlungsoptionen von Stufe 5, 8 oder sogar 12+ Charakteren und die Auswirkungen ihrer Zauber, Bonusaktionen, Fertigkeiten mit Auswirkung auf Initiative etc. pp., kann ich mir gut vorstellen, dass sehr viel über die Auslegung der Würfelergebnisse diskutiert wird. Multiple Attacken in einer Runde, Feuerbälle, Bonusaktionen, etc. sollen dann alle gemeinsam geplant werden – ist man da nicht wieder beim Punkt „wir streiten über ein Spiel, statt gemeinsam zu spielen?“. Ich sehe den Spielleiter schon im Zweifel entweder den Diktator mimen, oder man winkt alles ab und sagt „Whatever, ihr wollt ja Spaß haben, es geht immer zu eurem Vorteil aus“, dann wird das Spiel aber auch langweilig, weil die Herausforderung und die Gefahr fehlen. Problematisch, weil es also soziale Konflikte auf Kommunikationsebene in eine Spielrunde tragen kann.
  • D&D ist nicht unbedingt darauf ausgelegt, ohne Initiative gespielt zu werden. Die Spieleentwickler von WotC haben das System ja mit dem Wissen einer festgelegten Reihenfolge entwickelt. So kann ein Kämpfer theoretisch ab Stufe 2 die Hälfte seiner Bewegung nutzen, eine Attacke (bzw. zwei mit zwei Einhandwaffen) ansetzen, einen kleinen Gegner eliminieren, dann noch den Rest Bewegung nutzen, um dann mit  Tatendrang/Action Surge noch eine Attacke zu benutzen und im Idealfall noch einen Gegner zu töten. Wie bringt man diese Optionen in dem dargestellten System unter? Da kommen tausende Konjunktive ins Spiel („WENN ich nen Kenku umbringe, dann nutze ich, sonst…“)! Was also bei Dungeon World funktionieren kann, da das Spiel grundlegend mit einer solchen Narrative konzipiert wurde, ist bei D&D mit viel Eigenarbeit, Homebrew und Diskussion verbunden. Nachteil für den Hobby Gelegenheitsspieler.

Vorschläge und Ergänzungen:

Gemeinsam haben wir uns Gedanken gemacht und weitere Nachteile festgestellt: Sobald alles gleichzeitig gewürfelt wird, kann es – gerade bei einem System wie D&D5e mit zusätzlichen Angriffswürfen, Bonusaktionen, aufgeteilter Bewegung uvm. sehr schnell sehr unübersichtlich werden. Eine mögliche Lösung wäre, sich bei den Gegnern von den klassischen Lebenspunkten zu lösen:

  • Als Spielleiter unterteilt man die Gegner in Encountern in eine der folgenden drei Kategorien: Minions, Bossgegner, Endgegner. Dabei drücken die Kategorien die „Lebenspunkte“ der Gegner aus, Minions halten 2 normale oder 1 schweren Treffer aus, Bossgegner 4 normale oder 2 schwere, Endgegner 8 normale oder 4 schwere Treffer.
  • Die Spielercharaktere würfeln ihre Angriffswürfe plus Boni (Schritt 2). Treffen sie einen Gegner, ist dies automatisch 1 normaler Trefferpunktverlust. Würfeln sie sehr hoch (Rüstungsklasse + 1/3tel des RK Wertes, also z.B. bei einem Gegner mit RK 12 würfeln sie, inkl. Boni, 16+) ist dies ein schwerer Treffer. Eine Nat20 sind dann 2 schwere Treffer (so kann man eine natürliche 20 total bejubeln. Critical Role lässt grüßen). Dies bedeutet, dass die Helden mit einem Schlag einen Minion ausschalten können, wobei diese auch noch Schaden austeilen können.
  • Bei zusätzlichen Schadenswürfeln wie der hinterhältige Angriff bei Dieben und dem Zeichen des Jägers bei Waldläufern wird der Würfel einfach auf den Angriffswurf angerechnet- denn die Chance, einen sehr hohen Wurf zu erzielen, steigt dadurch immens an und ist mit dem Austeilen von mehr Schaden vergleichbar.
  • Hinsichtlich der Reihenfolge der Kampfhandlungen sollte die Storyline immer ausschlaggebend sein. So macht es Sinn, dass Fernkampfangriffe und vor allem magische Fernangriffe wie ein Feuerball vorgehen, damit ein Magier nicht aus Versehen seine eigenen Leute, die sich bereits im Nahkampf befinden, grillt.

Demnach unsere Idee als Initiative:

  1. Der Spielleiter leitet die Kampfhandlung ein und beschreibt, was die Monster machen. Die Spieler sprechen sich ab und legen dann fest, was ihre Charaktere machen.
  2. Fernkampf-Würfel: Alle Fernkampfattacken und Zauberattacken sowohl der Helden als auch Gegner werden zuerst durchgeführt.

Nahkampf-Würfel: Nach dem Fernkampf kommt es (ggfs.) zum Nahkampf, so dass auch hier die Würfel geworfen und ausgewertet werden. (Selbstverständlich kann man dies aus Storygründen je nach Situation auch aufweichen.)

  • Der Spielleiter erzählt das Ergebnis, wobei durch die verringerten Lebenspunkte die Spieler die Möglichkeit haben, zu erzählen, wie sie die Gegner umbringen (der SL aber einbringen kann, dass der Gegner noch einen Schlag anbringen kann, der x Schadenspunkte verursacht).

Addendum:

  • Ed Greenwood hat einmal gesagt, dass in seiner langjährigen Spielrunde nie gewürfelt wird. Die Abenteurer sind Helden, sie sagen, was sie vorhaben und man erzählt es gemeinsam – dabei haben alle wohl das klassische D&D gespielt, das auch nicht gerade einsteigerfreundlich und mit wenigen Regeln ausgestattet war. Diese Radikallösung, zusammen einfach Storytelling zu betreiben, geht also sicher, ist allerdings nicht die Lösung für Jedermann.

Jetzt seid ihr dran. Bitte schreibt mir via Kommentare eure Überlegungen zur Initiative – oder wie schafft ihr es, eure Kampf-Encounter (die nicht zentral im Spiel sein müssen) nicht zu langatmigen Würfelorgien verkommen zu lassen?

¹ Dungeoncraft #6: No more Initiative! URL: https://www.youtube.com/watch?v=y_mxYKzEjms.

Die Vergessenen Reiche – Warum ich Fâerun den Rücken nicht kehren mag

Man stelle sich das mal vor: Dungeons & Dragons feierte unlängst sein 45jähriges Jubiläum, die neuste Edition feiert in diesem Jahr sein 5jähriges Jubiläum. Verkaufszahlen schießen durch die Decke, schaut man sich in der Rollenspielszene um, hat gefühlt jede dritte Person ein #dnd im Profil stehen. Huzzah, rufen die Zwerge aus den Hallen Gauntlgryms, während die Waldelfen des Hochwaldes mit den Treants auf Panflöten eine hoffnungsvolle Melodie erklingen lassen, die man bis in das mittelalterlich anmutende Cormyr hört. Die Menschen in Turmish, am Hafen der Hauptstadt Alaghôn, strecken ihre Köpfe in Richtung der azurblauen See, als sich am Himmel eine düstere Wolke auftürmt. Es ist der UltraNerd, der mit schmetternder Stimme ruft: „Aber die Vergessenen Reiche sind scheiße!“.

Man verzeihe mir die Polemik, doch in der Realität ist es tatsächlich so, dass der allgemeinen Liebe, die Dungeons&Dragons entgegen gebracht wird, auch der geballte Frust enttäuschter Hardcore-Fans entgegnet, für die die Wahl der Vergessenen Reiche als offizielles Setting eine Katastrophe darstellen. Was hört man nicht alles für Klagen – ein rassistisches Setting mit dem überdominanten weißen Mann, identitätslos, weil ohne übergreifende Rahmenhandlung, viel zu viel verwirrende Geschichte in der Spielwelt, Myriaden an Gottheiten, welche die Zugänglichkeit zum Setting erschweren. Fade, generisch, zu viel Magie, kurzum: ein Rohrkrepierer.

Ich kann nicht für die Designer und Entwickler der Vergessenen Reiche sprechen, wenngleich sicherlich irgendwo von Perkins, Mearls oder Crawford (oder einer anderen Person im Entwicklerteam) darüber gesprochen wurde, warum man Fâerun als zentrale Welt herausgepickt hat. Fakt ist aber, dass bis auf das Buch „Guildmasters Guide to Ravnica“, dem eigentlich in Greyhawk angelegten „Ghosts of Saltmarsh“ Abenteuerband und den Veröffentlichungen zu Eberron (bis dato nur die PDF zu „Wayfarer’s Guide to Eberron“, aber im Verlauf des Jahres 2019 soll noch ein weiteres Buch veröffentlicht werden) keinerlei Nischen des D&D Multiversums berücksichtigt wurden.

Und darüber bin ich unglaublich froh.

Ein kleiner Junge trifft auf Bruenor Schlachtenhammer

Klein-Stephan hat früh mit Lesen angefangen. Als Jahrgang 82er war es wohl auch mangels Alternativen Usus, dass Lesen und gegenseitiges Geschichtenerzählen mit meinem älteren Bruder für uns so etwas wie die Flucht aus dem Alltag war, wo heute Kinder früh am Tablet die Textzeilen von Elsa auswendig lernen. Deswegen kann ich nicht mehr wirklich auseinander klabustern, wann ich den Roman „Die Silbernen Ströme“ von R.A. Salvatore in den Händen hielt, aber ca. 1992/93 wird es gewesen sein.

Während mein Bruder den Herrn der Ringe und den kleinen Hobbit verschlang, fieberte ich mit Drizzt Do’Urden, Regis, Wulfgar und Bruenor Heldenhammer mit und, Junge, was war das für eine Reise für mich. Ganz ehrlich, das Buch steht auf meiner Liste von „ich muss das aus Nostalgiegründen noch mal haben“, aber jetzt, wo ich hier auf der Couch sitze, könnte ich den Inhalt gar nicht aus dem Stehgreif wiedergeben. Sei es drum, die kunterbunte Truppe an Gefährten war für mich allemal spannender als diese kleine Truppe an ewig Nahrung verschlingenden Fellfüßen, die durch den Wald torkelnd Dialoge von sich gaben, die mir inhaltlich ein Rätsel waren. Die Einfachheit, die Geradlinigkeit der Geschichte, die kernigen Charaktere – all dies hat meinen ersten Kontakt mit der Spielwelt der Vergessenen Reiche ausgemacht, obwohl mir die Vergessenen Reiche noch gar kein Begriff waren.

Obwohl „Streams of Silver“ 1989 von R.A. Salvatore veröffentlich wurde (und eigentlich der dritte Band in der Reihe um die Gruppe der genannten Gefährten war), so ist die Geschichte der Vergessenen Reiche deutlich älter: 1967 entstand die Fantasy-Welt im Kopf des 7-jährigen Ed Greenwood, der schon früh von seinem Vater an Fantasy herangeführt wurde – in seiner ersten Urfassung der Reiche gab es keine Spur eines kantigen Zwergs mit ikonischem einhornigen Helm und eines Dunkelelfen, der aus moralischen Beweggründen sein dämonenanbetendes Volk hinter sich ließ. Und trotzdem hätte Ed Greenwood sich schon damals vermutlich über die Idee, dass jemand aus „seinen Vergessenen Reichen“ eine eigene Version macht, gefreut. Denn das ist die eigentliche Idee der Vergessenen Reiche und der Grund, warum ich Fâerun bis heute nicht den Rücken kehren kann.

Eine Zeitlang habe ich sehr viele Podcasts und Blogs mit Ed Greenwood verfolgt und einer der prägnantesten Sätze, den ich mir gemerkt hatte, war, dass er sinngemäß sagte, dass die Reiche deswegen „vergessen“ seien, weil man eine so große Welt niemals detailliert ausformulieren könne. Deswegen habe jeder Spielleiter die Möglichkeit, aus den Vergessenen Reiche seine eigenen, bekannten Reiche zu machen – eine Welt, in der man sich wohl fühle.

Gib den Reichen eine Chance…

Wenn man diesen Exkurs eines begeisterten Kindes aufmerksam folgen konnte, dann kann man sich vielleicht denken, warum ich oft kopfschüttelnd vor den Kritikern der Vergessenen Reichen sitze. Meinst Du Fâerun sei rassistisch, weil Orks aufgrund ihrer Hautfarbe gemieden würden – warum machst du nicht ein Fâerun, in dem Orks friedlich mit Menschen zusammenleben? Oder eine Kampagne, die dazu führt, dass Orks und andere Völker das Kriegsbeil begraben?

Da war ja noch die Sache mit der fehlenden Rahmenhandlung. Gegner des Settings sagen gerne, dass die Vergessenen Reiche eigentlich keine übergeordnete Rahmenhandlung haben. In „Dark Suns“ kämpft man um das nackte Überleben auf dem Planeten Athas, um Wasser, um eine Rettung in einer dystopischen Welt, in der Magie weitestgehend verboten ist und Psi-Kräfte eingesetzt werden. „Spelljammer“, die ewige Reise auf (extravaganten) Raumschiffen mittelalterlicher Anmut im ewigen Schwarz der Universen, Ravenloft – okay, da will ein beknackter Vampir einem an die Gurgel, da ist die Rahmenhandlung quasi vorgegeben – und so weiter und so fort.

Mir ist schon klar, dass eine solche über dem Plot stehende Rahmen-Welt-Geschichte einen gewissen Reiz hat. Sie macht ja auch das gesamte Spiel einfacher, weil es einen „roten Faden“ vorgibt. Die Spielwelt ist geradliniger. Aber, so ist das mit der Abwesenheit von Beweisen, damit ist nicht bewiesen, dass sie nicht da sind. Man muss sie nur genauer suchen, oder, als sich als Spielleiter hinsetzen und Gedanken machen.

Dir missfällt die Magie der Reiche, wodurch an jeder Hausecke ein Magier steht, der im Alleingang den König stürzen könnte? Erfinde doch einfach eine Kampagne, in der die Toten drei Götter Myrkul, Bane und Bhaal durch Intrigen Mystra, die Göttin der Magie, erneut sterben lassen und nach ihrer göttlichen Magie streben. Am besten basteln sie mit Acererak direkt eine thermonukleare Götterbombe und zerfetzen den halben Phanteon, dann bist du gleich alle Götter los. 😊

Sei kreativ.

… aber ignorier nicht die Geschichte der Reiche

Trotz all dieser vielfältigen Möglichkeiten, die Vergessenen Reiche auf jedes beliebige Setting anpassen zu können, sollte man nicht ignorieren, dass hinter dem Setting ein wahrer Berg an „Geschichte“ steht. Dieses Hintergrundwissen gibt es in unterschiedlichsten Formen – den meisten Spielern sind heute vermutlich nur die von Wizards of the Coast publizierten öffentlichen Materialien, vorrangig die Bücher „Sword Coast Adventurer’s Guide“, „Mordenkainen’s Tome of Foes“ bekannt – und leider werden ja keine neuen Romane mehr geschrieben. Halt, stopp: der All-Time Favorit Drizzt Do’Urden wird von seinem Schöpfer R.A. Salvatore ja auch 2019 noch auf Reisen geschickt.

Kleiner Rant am Rande: Ja, die ewigen Superhelden der Reiche können schon nerven, da sie als Deus Ex Machina immer aus dem Hut gezogen werden, wenn die Kuhfladen drohen, von der Donnerwoge durch die Schenke geschossen zu werden. Ich hätte mich auch viel mehr darüber gefreut, wenn a) die Romanreihen und Verträge mit den Autoren nicht beendet worden wären, da sie scheinbar zu kostenintensiv und wenig lukrativ geworden sind und b) neue Gesichter mit der neuen Edition die Reiche auch charaktertechnisch weitergebracht hätten. 

Ungeachtet von alten Gesichtern ist es aber so, dass man, wenn einen die Möglichkeiten der Flexibilität der Vergessenen Reiche überfordern, auf unglaublich viel Wissen zurückgreifen kann. Wie oft verliert man Zeit damit, Gifte, Getränke oder sonstiges im Netz zusammen zu klauben, wo doch Werke wie „Ed Greenwood presents Elminster’s Forgotten Realms“ (https://www.drivethrurpg.com/product/166568/Ed-Greenwood-Presents-Elminsters-Forgotten-Realms) im Grunde ein Lexikon mit vielen Einträgen zu dem Thema sind. Oder das unschlagbar gute Fandom Wiki der Vergessenen Reiche (https://forgottenrealms.fandom.com/wiki/Main_Page) mit z.Z. fast 30.000 Einträgen, allerdings auf Englisch, sollte in einem subjektiv gefärbten Fangirl Artikel nicht unerwähnt bleiben!  

Auch die Publikationen alter Editionen, meiner Meinung nach besonders der 3. Edition, können die Spielwelt einer Spielrunde so viel detaillierter erscheinen lassen, dass man als Spielleiter aus dem Schmökern gar nicht mehr heraus zu kommen vermag. Ein Vorteil der fünften Edition ist es eben auch, dass durch die Zauberplage (ja, ich übersetze die Spellplague für mich so stumpf) Fâerun auf den geographischen Stand der 3. Edition zurück beordert wurde, die Spielwelt aber in vielen Teilen offene Enden bietet, die man weiter stricken kann. Stichwort Calimshan, Sembia, Turmish – tobt euch aus!

Hat man also alle offiziellen Romane und Hintergrundbücher, gibt es in den Dragon und Dungeon Magazinen noch gefühlt unendlich viele Artikel zu der offiziellen Spielwelt.

Hier sehe ich auch eine Krux bei einigen Spielrunden.

Die Reiche sind vergessen, nicht aber die Glaubwürdigkeit

Vorweg: Jeder sollte machen, was er möchte. Ob in den Vergessenen Reichen die Ultrabots mit Laserstrahlen Horden an Tarrasquen niedermähen, Truppen an megaliberalen Drow im Schulterschluss mit der Landbevölkerung auf Einhörnern mittels Regenbogenpupsstrahlen über den Himmel reiten, am Grat der Welt eine riesige Eiswand die Untoten des hohen Norden abhält, oder oder oder. Macht das. Wenn ihr daran Spaß habt, ist das alles möglich. Ich persönlich würde auch in Mittelerde so etwas als Kurzurlaub von meinen Vergessenen Reichen, bei denen ich versuche, viel offizielles „Lore“ einzubauen, genießen. Meine oben erwähnte Offline-Runde ist auch eine solche, da wir dort einfach nur alle 6-8 Wochen gemeinsam spielen können und mir der Spaß einer einzelnen Runde viel wichtiger ist, als der Ritt auf dem Rücken des offiziellen Settings.

Aber:

Gerade bei online gestreamten Spielrunden, wo man vor einem Publikum spielt oder sich zumindest einem Publikum präsentiert (und, sind wir mal ehrlich, wenn man kein Publikum haben wollte, könnte man online spielen, aber ohne zu streamen. Man streamt doch, weil man gesehen werden möchte!), sollte ein gewisser Grad an Glaubwürdigkeit oder roter Faden die Spielwelt begleiten. Je mehr man vom offiziellen Kanon der Reiche abweicht, umso mehr muss man dann aber Worldbuilding betreiben, um die dann neue Welt glaubhaft erscheinen zu lassen. Damit meine ich kein ausgedehntes Mikromanagement, denn das geht z.T. den Vergessenen Reichen selbst im offiziellen Setting etwas ab.

Denn es geht ja nicht nur darum, dem Lore-Troll zu gefallen, der mit verschränkten Armen vor dem Stream sitzt und im Chat „Buh, falsch, falsch“ brüllt. Die Typen gibt es in jedem Bereich des Lebens (Musikerpolizei bei Konzerten, Science-Nerd-Bro Typen beim Sport, etc.) und ich finde die Einstellung unglaublich nervig. Ignoriert die Trolle, das hat schon immer am besten funktioniert.

Nein, das Hauptproblem bei einer aus den Fugen gerückten Welt ist, dass sie nicht mehr stimmig funktioniert und die unglaubwürdige Welt, auch wenn sie als solche nicht direkt wahrgenommen wird, peu à peu die Spieler verliert. Wenn dann alle Spielercharaktere völlig homogen interagieren und keinerlei Eigenarten mehr besitzen, die sich rollenspieltechnisch umsetzen lassen, sind sie leere Hüllen mit Statistiken, aber die Seele eines Rollenspiels – das Spiel mit der Rolle – ist verloren gegangen.

Eine Welt, sie zu knechten, für alle zu beugen… Mein persönliches Fazit!

Während mein Bruder also in Mittelerde mit unserer legendären Rollenspielrunde einem klar definierten Zeitalter nachging und mittelschwere Streitgespräche mit Tolkienfans führen durfte, warum das Getränk xy in diesem Zeitalter nicht dort stehen dürfe, Bekannte von mir in „Das Schwarze Auge“ gefühlt 20 Bücher zu Bekleidungstechniken von Praios auf den Tisch knallten, die man bitte auch studiert haben musste, um überhaupt ansatzweise mitspielen zu können und wiederum andere in Earthdawn quasi-kataklystischen, abgedrehten Fantasywelten mit todbringenden Motten, die mit einem Stich verwaiste Charaktere vom Sattel schmissen, spielten, lungerte ich immer noch mit meinen drei Kumpels in den Vergessenen Reichen herum.

Meine Reiche, in denen plötzlich auch mal ein Lebkuchenhaus um die Ecke im Wald stand. Nirgends stand geschrieben, dass diese Kehrtwende vom „offiziellen Kanon“ dazu führte, dass man sich an die Gurgel ging. Unser Spiel hat sich schon in jungen Jahren nicht dadurch definiert, dass wir mit Wissen glänzen mussten, um zu beweisen, dass wir „Hintergrundwissen gefressen“ hatten und das Spiel dominierten, sondern wir erlebten zusammen Märchengeschichten.

Wir sind gen Kara-Tur geritten und haben die tuiganische Horde aufgehalten, einfach, weil ich in einer Bücherstube in das Buch hereinlesen konnte und mir die Idee kam, dass die Helden dort etwas aufhalten könnten. Wir haben in Cormyr mit König Azoun gespeist, obwohl er eigentlich wohl noch ein Kind gewesen wäre, Elminster half uns immer mal wieder aus der Patsche, bis er plötzlich verschwand und in den 2000ern ging es an die Schwertküste, nach Baldurs Tor, Niewinter, Kerzenburg, mit Ehrfurcht nach Tiefwasser. Weil uns die generelle Beschreibung der Orte viel mehr dazu inspirierte, eine gemeinsame Welt zu erschaffen, als dass wir uns genötigt sahen, der Realität zu entsprechen und diese detailgetreu wieder geben zu können (Ironie des Schicksals, dass zwei der Spielrundenteilnehmer von damals heute Lehrer sind).

Ich hoffe, mein Punkt ist klar geworden: Die Vergessenen Reiche sind bei weitem flexibler als viele andere Rollenspielwelten und bieten dennoch unglaublich viel an Material, das man für seine Zwecke „missbrauchen“ kann, ohne dass jemand sagen könnte, es seien nicht die Vergessenen Reiche (außer dem Rollenspieltroll. Aber der meckert ja auch immer rum). Fernab jeglicher wirtschaftlichen oder pragmatischen Entscheidungen der Designer, die „Forgotten Realms“ zu (re)aktivieren, passt die Welt meines Erachtens unglaublich toll in unseren Zeitgeist. Du kannst dich blöde planen und jedem Stein einen Namen geben, oder du bist ein „lazy Dungeonmaster“ und planst nur grob, weil deine Lebenswelt nicht mehr Zeit für Planung zulässt. Die Reiche werden es dir nicht krummnehmen und selbst wenn ein Spieler mal sagt, dass dies aber ja eine Abkehr von bekannten Wissen sei, lächelst du nur kurz und sagst „Willkommen in meinen Vergessenen Reichen!“ und schaffst mit deinen Spielern eine glaubhafte Welt, die euch allen ein neues Zuhause bietet. In euren euch bekannten Reichen.

Das Übel bei der Wurzel packen, oder: Die Wichtigkeit einer Session 0 – Teil 2

Hey, willkommen zurück zu meinem Blog! In meinem ersten Teil habe ich über das, meiner Meinung nach, zentrale Mittel gesprochen, damit eine Rollenspielrunde gelingen kann: Kommunikation. Und auch, wenn man alle weiteren Probleme im Grunde dahingehend herunterbrechen kann (und auch zukünftig lösen kann), dass man vernünftig drüber reden sollte, möchte ich in meinem zweiten Teil noch über einige Aspekte diskutieren, die meines Erachtens immer wiederkehrend in Spielrunden sind und den Spielspaß trüben können.

„Aber auf Seite 76 des Spielerhandbuchs steht…“ – Regelfragen im Vorfeld aushebeln.

Ich vermute, jeder hat einen solchen Spielertypus schon einmal erlebt. Jede Regel muss bis zum Erbrechen durchdiskutiert werden, in jeder spannenden Situation möchte die Person noch einmal anmerken, dass aber im Sinne von „Rules as Written“, die Situation ganz anders hätte verlaufen müssen. Nerv! Nun, wie geht man damit um? Verhindern wird man es nie können, dass eine Regeldiskussion am Tisch entbrennt, aber ich würde Spielern die wesentliche Funktion des Spielleiters an dieser Stelle nahebringen. Mittlerweile sage ich gerne „Meine Funktion ist, dass wir alle hier Spaß am Tisch haben. Deswegen bin ich, neben der Funktion als schizophrener Nichtspielercharakter und Handlungsstrangerzähler dafür da, dass bei Diskussionen über Regelfragen schnell entschieden wird, so, dass wir weiterspielen können.“ Tatsächlich klappt das, jetzt nach 25 Jahren, immer besser – wobei ich immer noch sehr geschätzte Mitspieler habe, die gerne mal anmerken, dass aber, nach Rules as Written, die Situation durchaus anders verlaufen wäre. Nochmal: DU bist der Spielleiter, hab keine Angst davor, bei einer Session 0 deutlich zu machen, dass du die Entscheidungsinstanz bist. Wenn du nicht gerade bei jeder Regelfrage gegen die Spieler entscheidest und sich die Rollenspielrunde in ein hässliches Spieler vs. Spielleiter entwickelt, wird das gut klappen. Und ansonsten: Hier kann man auch gerne mal anbieten, dass der Spielleiterposten für ein Abenteuer von jemand anders übernommen werden kann.  

„Also ich habe für meinen Charakter fünf 18er gewürfelt und eine 17 und auf Youtube folgende Rasse-Klasse-Kombi gesehen, deswegen nehme ich…“ – Charaktergenerierung in der Session 0

Grundsätzlich darf an meinem Tisch jeder Spieler alles spielen, was er will. Wir kommen zusammen, um Spaß zu haben, also wer bin ich, um den weg zu nehmen. Ekelig wird es aber, wenn ein Spieler mit völlig konträren Vorstellungen zur restlichen Gruppe seinen Charakter generiert und spielt. Folgende Anekdote:

Zu D&D 3.Edition Zeiten bin ich mit den Mitgliedern meiner Rollenspielrunde in einen dieser düsteren, abgeranzten Rollenspielläden gelandet. Während wir Landeier völlig fasziniert waren von Regalen und Regalen an verstaubten Rollenspielzeug fing der Besitzer mit dem Spieler eines Zwergen-Kämpfer-Klerikers der Runde eine Diskussion an. Aufgrund einer dreiköpfigen Gruppe kamen wir damals um Multiclassing nicht herum, so war der Waldläufer auch mit dabei ein Dieb. Herr Ladenbesitzer war aber völlig entsetzt! Wie konnte man nur nicht die maximierte Variante eines Zwerges generieren, der nur x Stufen als Krieger nimmt, dafür dann aber noch eine Stufe als Barbar und dann diese und jene Fähigkeit, damit er Bonus xyz bekommt. Nach einigen Diskussionen habe ich abgebrochen und gesagt, dass ich so kein Rollenspiel spiele, woraufhin wir – kein Witz – uns anhören durften, keine Ahnung von Rollenspiel zu haben und aufgrund einer sehr destruktiven Stimmung den Laden verließen.

Erlauben Sie?! Nun gut, für einige Spieler bedeutet Spaß sicherlich, dass man im Rollenspiel der strahlende Held sein kann, der bei jeder Situation aufgrund von ausmaximierten Superboni alles dominiert. Warum auch nicht, es ist ja ein Spiel und durchaus bewusst Flucht von der Realität. Wenn aber jemand der Meinung ist, dass man nur dann Ahnung vom Rollenspiel hat, wenn man jegliche übertriebene Kombination heraussucht und anwendet und im Umkehrschluss jeder, der dies nicht macht, KEINE Ahnung, könnte es in einer Spielrunde haarig werden. Stellt im Vorfeld sicher, dass hier alle an einem Strang ziehen. Ich persönlich empfehle gerne, als Frustminimierung, das Punktekaufsystem von D&D, denn dann hat man eine relativ homogene Truppe – aber es gibt da andere Lösungen, Hauptsache, alle am Tisch sind damit zufrieden oder können sich mit einer positiven Grundstimmung damit arrangieren. Je kleiner die Gruppe ist, macht es auch sicherlich Sinn, die Charakterklassen abzusprechen, das ist aber kein Muss.

Wie viel Hintergrundwissen braucht eure Spielrunde? Lore you should know!

Ich gebe es zu: Ich bin ein riesiger Fan der Vergessenen Reiche, des Hintergrundwissens, dass die von Ed Greenwood geschaffene Welt bietet und den unzähligen Kulturen, Religionen, Rassen, etc pp. Als Spielleiter empfinde ich dann am meisten Spaß am Spiel, wenn die Spielwelt glaubwürdig, die Immersion durch eine lebendige, atmende Welt erzeugt wird. Dazu kommt sicher demnächst auch ein Artikel – aber brauchen das meine Spieler? Muss für sie die Welt all die Ecken und Kanten bieten? Und, ganz ehrlich, irgendwo da draußen werden Myriaden an Übernerds sitzen, welche die Vergessenen Reiche noch besser kennen als ich, alle Ausgaben des Dragon Magazine gelesen, nein, verschlungen haben und über „meine Reiche“ lachen. Kann gut sein! Aber dennoch halte ich es für notwendig, bei einer Session 0 auch hier mit den Spielern kurz drüber zu reden. Wer beispielsweise einen Dunkelelfen spielen will (einen Waldläufer. Mit zwei Waffen. Und einen Panter als Tiergefährten. Druzzt Du’Uuden, aus dem Haus Unzugurtug.) sollte sich darüber bewusst sein, dass in „meinen“ Reichen die Drow in 95% aller Regionen als bösartige, korrumpierte Elfen gelten, die unter Tage wohnen, eine dämonische Gottheit anbeten und Sklavenhandel betreiben, indem sie die Völker Faeruns des Nachts jagen. Du willst dennoch einen Dunkelelfen spielen? Klasse, finde ich super, dann, auf geht’s. Was ich damit sagen will: Das ist ganz klar meine Variante der Spielwelt. Wenn ein Spieler das völlig bescheuert findet, müssen wir darüber diskutieren. Entweder, man findet einen Mittelweg oder es klappt nicht, aber bevor man mit völlig unterschiedlichen Vorstellungen der Spielwelt ins Abenteuer startet, finde ich dies sehr wichtig, denn der Frustfaktor ist unglaublich hoch – vor allen Dingen, wenn man dies nicht in der Gruppe besprochen hat. Dann kommt der totale Hintergrundwissensfanatiker mit einem casual Spaßspieler zusammen, für den Zwerge und Gnome die gleiche Rasse sind und Halblinge nur fette kleine Kinder, aber in seiner Hintergrundgeschichte ist Darth Vader sein Papa. Huppala…   

„Aber nach Ludwig Erhards sozialer Marktwirtschaft sind die Preise hier…“ Metagaming.

Ich habe mal eine Online-Runde geleitet, bei der ein Spieler mit einem Bauern anfing, über das wirtschaftliche System Ludwig Erhards diskutieren zu wollen, um den Preis zu drücken. Anfangs dachte ich noch, das sei ein Spaß und bin als DM eingestiegen, aber nachdem er immer vehementer mit neusten Erkenntnissen seines letztens Vorlesungsbesuchs versuchte, allen Teilnehmern klar zu machen, dass er da ein richtiger Experte sei und deswegen der Bauer auf dem Markt irgendwo in Cormyr, in einem kleinen verschlafenden Dörfchen, bitte günstigere Preise anzubieten habe, fingen sogar die Mitspieler an, kritische Kommentare zu werfen. So etwas hätte ich vermeiden können, wenn ich im Vorfeld drüber gesprochen hätte. Natürlich kann man nicht jeden Aspekt ansprechen (ich wäre auch nie auf die Idee gekommen, Wirtschaftssysteme anzuschneiden), aber der oben genannte Aspekt fällt sicher unter Metagaming – und während man Metagaming mit Sicherheit immer wieder im laufenden Spiel vorfinden wird, gibt es hier vielleicht noch den in einer Session 0 vorab zu klärenden Unterschied zwischen Spielwelt-/Spielrunden-bedingten Metagaming und Metagaming durch Hinzunahme von Wissen aus unserer heutigen Welt. Sprecht einfach mit euren Spielern, Mitspielern, dem Spielleiter so ein Beispiel an und fragt, wie sie dazu stehen! Ich habe genug Spielrunden gesehen, die total lustige Dialoge und Situationen spinnen und bei anderen ging der ganze Spaß dann baden.

 Softskills am Tisch

Spulen wir an den Anfang meines ersten Artikels zurück: Der FC Bayern hat wieder mal gewonnen und Spieler X, Superfan von Geburt an, kann nicht anders, als mit dem Handy bewaffnet immer wieder Spielberichte zu lesen, während er nicht an der Reihe ist. Daneben piekst jemand in Öl eingelegte Knoblauchzehen auf und isst diese genüsslich, während auf der anderen Seite des Tischs die Mitspieler die Luft anhalten, weil Kollege 4 wieder mal Schweißfüße hat.

Das alles muss nicht sein! Okay, mangelnde Körperhygiene anzusprechen ist mit Sicherheit ein heißes Eisen, mit dem man sehr, sehr delikat umgehen muss. Aber dennoch gibt es so etwas wie Softskills, die vorab besprochen werden sollten. Jede volle Stunde machen wir mal eine Raucherpause. Wie sieht es mit Getränken aus, Alkoholika, Snack, Essen etc? Sein wir ehrlich, wenn ihr eine Gruppe aus erwachsenen Menschen seid, wird man hier nicht wirklich viel Redebedarf haben (außer, die militante Veganerin trifft auf den überzeugten Fleischkonsumenten. Boom.), aber, wie sagt der Kölner, jede Jeck is anders! Wir haben zum Beispiel rotierende Getränke-Organisationen und jeder bringt Essen mit, allerdings ist dies eine Spielrunde aus 8 Spielern und einem Spielleiter, da ist es klar, dass man im Vorfeld vieles organisieren muss.

Mit diesem letzten Punkt beende ich meinen ausufernden Riesenartikel zu einer Session 0. Wenn ihr bis hier hin (erneut) durchgehalten habt, bedanke ich mich von Herzen für eurer Interesse und hoffe, ich konnte bzw. kann ein wenig dazu beitragen, dass häufig wiederkehrende Probleme, die ich immer wieder mitbekomme, zukünftig nicht mehr geschehen.

Denkt immer dran: Das wichtigste am Rollenspiel ist, dass es ein SPIEL ist und alle beteiligte Parteien Spaß haben sollen. Ein Spiel dient zu Unterhaltungszwecken, zumindest primär, und diesen für mich zentralen Aspekt solltet ihr, als Spieler oder Spielleiter, nie aus den Augen verlieren!

Das Übel bei der Wurzel packen, oder: Die Wichtigkeit einer Session 0, Teil 1

(Anmerkung vorweg: Ich benutze häufig männliche Nomen und Pronomen. Das passiert aus dem Schreibfluss, ist nicht abwertend gegenüber den vielen weiblichen und nicht-binären Spieler*innen gemeint und wird mir hoffentlich nicht krumm genommen.)

Langsam dreht sich der Halblingsdieb um, nimmt schmunzelnd dem Meuchelmörder und seiner Truppe, welche in einem schmutzigen und harten Kampf in der düsteren Allee gerade so bezwungen worden, den Geldbeutel ab, als der blutverkrustete Krieger mit der Augenklappe und dem sächsischen Akzent wie aus dem Nichts neben ihm steht.

„Gib mir das Gold“  

„Was, nein, das hab ich mir erkämpft! Er hätte mich fast erdolcht! Außerdem werfen wir das in unsere Abenteuerkasse, für Heiltränke!“

„Ich nehme dem Sausack das Gold ab. Der ist die ganze Zeit nur im Schatten verschwunden, hat nichts gemacht und lootet jetzt die Leichen. Ich würfel auf Athletik!“

„Pah, nix da. Ich konkurriere mit Akrobatik, mache eine Rolle nach vorne und steche Christian ab. Geht gar nicht, hier auf meinem Bogen steht, ich bin goldgierig, das ist nur In Character was ich hier mache. Nimm das Glas runter, ich warne dich, wenn du mich jetzt hier…“

Und im Off ertönt das leidvolle Seufzen des Spielleiters…

Ihr kennt das? Nach zähen Ringen habt ihr endlich einen Termin gefunden und mitten im Spiel eskaliert wieder die Situation, weil Freund A und Kumpel B, die nur noch an zwei entfernten Enden des Tisches sitzend über Mittelsmännern kommunizierend sich wieder an die Gurgel gehen? Im schlimmsten Falle sitzt Kollege C mitten drin, liest die Fußball-Neuigkeiten an seinem Handy („jaja, ich applaudiere denen zu. Boah krass, FC Bayern heute…“) während Buddy D verwirrt „Wo stehen nochmal meine Zauber? Ich bin doch ein Warlorcerer, oder wie war das?“ dazwischenruft. (Anmerkung: Es können genauso gut Frauen sein. Die sind zwar allgemein besser organisiert und kommunikativer als männliche Pendants, aber auch nicht vor Eskalationsmomenten gefeit.)

Willkommen in der Rollenspielhölle. Doch das muss nicht sein, denn wie so oft kann die Lösung einer solchen Situation recht einfach sein, wenn man es planerisch geschickt angeht. Bevor die Ehe beim Therapeuten endet oder die Rollenspielgruppe abends im Streit das Haus verlässt, hilft eins:

Reden.

Doch was wir schon im Alltag oft zu selten und wenn, dann sehr falsch, angehen, misslingt an einem Spieltisch, bei dem Egos zusammenkommen, umso mehr.

Um solche Situationen zu verhindern, hat sich eine Session 0, oder Gruppenvertrag, oder Orga-Runde – wie auch immer ihr das nennen wollt – bezahlt gemacht. Früher war so etwas irgendwie noch gang und gäbe, hatte doch meistens nur der Spielleiter die Regelwerke daheim (deswegen war man ja Spielleiter, keiner wollte das Spielerhandbuch nochmal kaufen, weil teuer und Stephan hats ja eh schon gelesen und kennt die Regeln. Danke auch.) und so traf man sich abends bei einem Kaltgetränk im Zimmer und generierte gemeinsam Charaktere. Das war aber 1995, wir waren alles Freunde und da konnte man sich eh Dinge anders mitteilen. Wie sieht das 2019 aus?

Teil 1: Sprecht in einer Session 0 eure Eckpfeiler ab

Rollenspiel ist genau das: ein Spiel. Ein solches soll Unterhaltung bieten, doch kann man unterschiedlich unterhalten werden. Jeder sollte einbringen, was für Spielelemente ihm Spaß machen – und als Spielleiter solltest du dir Notizen machen! Ja, schreib das auf, viele Studenten sind an dem „Ich merk mir das bis nächste Woche“ gnadenlos gescheitert und auch du wirst bei mehreren Mitspielern dankbar sein, dir Dinge aufgeschrieben zu haben. Dies ist vor allen Dingen dann umso wichtiger, wenn deine Mitspieler eben NICHT aus deinem langjährigen Freundeskreis kommen und eventuell wild zusammengewürfelte Menschen aus der #pnpde Community sind. Ein paar Aspekte, die zum Spielspaß gehören, sind meiner Meinung nach:

  • Wie ist die generelle Atmosphäre des Spiels? Spaßig oder ernst, Horror oder kunterbunte Spielwelt? Als Spielleiter sollte man dafür sorgen, dass die Spieler Spaß haben und nicht das eigene Spiel den Tisch dominiert. Ist ja toll, wenn dir Cthuluh-Lovecraft-Schocker gefallen, aber wenn deine Spieler lieber klassische Abenteurergene besitzen und mit düsteren Momenten nichts anfangen können, bringt dir das nichts.
  • Worauf legt ihr mehr Wert, soziale Interaktionen oder Kampfsequenzen? Natürlich kommt in einem Rollenspiel beides vor. Aber manchen Gruppen liegt das eine mehr, als das andere. Ich habe mal Murder in Baldur’s Gate mit einer Spielrunde angefangen. Als den Spielern klar wurde, dass sie mitten in einer großen politischen Intrige steckten, kamen sie auf mich zu und sagten „Stephan, sicher ein tolles Abenteuer, aber das ist nichts für uns.“ Unnötig, wie froh ich darüber bin, dass meine Spieler jederzeit mit mir reden wollen und keine Angst hatten, mir vor den Kopf zu stoßen, denn ich habe vor Begeisterung gar nicht darüber nachgedacht, wie es den Spielern gefällt.
  • Wie geht ihr mit Spieler vs. Spieler Konflikten um? Ja klar, man ist sich nicht immer grün. Aber muss jede Meinungsverschiedenheit in einem konkurrierenden Fähigkeitenwurf ausgetragen werden? Hier ist auch der ideale Punkt, um zu verdeutlichen, dass ihr euch treffen wollt, um SPASS zu haben. Das bedeutet, auch mal locker lassen zu können und über sich zu lachen – was eventuell aber banal klingt, ist für einige Spieler am Tisch unmöglich (und das ist eine sehr unangenehme Situation). Lieber hier vorher festlegen, wie Konflikte ausgetragen werden. Tipp für den Spielleiter: Bring deinen Spielern hier bei, in eine Meta-Ebene zu wechseln. Es ist legitim, im Spiel zu sagen „okay, mir wäre das egal, ob du das Gold nimmst, aber mein Schurke sieht das vermutlich völlig anders. Deswegen kneift Glindifil die Augen zusammen, zischt in deine Richtung und presst ein „Widerlicher goldgieriger Zwerg“ hervor!“ Dann weiß der ganze Tisch, dass es nicht der Spieler, sondern der Charakter ist. Ohne diese Info kommt es eventuell aber verfänglich herüber…
  • Was erwartest du als Spielleiter von deinen Spielern? Auch das ist für mich elementar. Wenn du den Spielern nicht klar machst, dass deine Spielwelt sehr viel Hintergrundwissen benötigt und sie ohne eben jenes in eine Sitzung kommen, Junge, das wird eine zähe Angelegenheit. Es gibt so etwas wie soziales Benehmen 101, die Grundlagen des Umgangs miteinander. Oft ist dies den Teilnehmern eines Spiels aber nicht bewusst (es ist ja auch nur ein Spiel) und zack hat man diesen einen Mitspieler in der Runde, der einfach nie redet, nichts sagt, mit keinem NSC oder SC spricht und wortlos verschwindet. Hey, ja cool, nächste Woche dann wieder… oh, er ist schon offline. Toller Kerl! Genauso solltest du sehr deutlich machen, was für Hintergrundinformationen zu den Charakteren du benötigst – und vergiss nicht zu fragen, ob deine Spieler überhaupt wollen, dass ihre Charakterstories Teil des Spiels sind. Ich habe Spieler erlebt, denen es furchtbar egal ist, ob ihre vier Seiten Geschichte überhaupt im Spiel nochmal wieder verwendet werden – andere hingegen empfinden sehr großen Spaß daran, ihre Geschichte weiter zu entwickeln. Da dies aber den Rahmen sprengt und ich es immer hasse, etwas zu sagen, was schon in besserer Form da war, verweise ich auf den Youtube Kanal von Guy Sclanders, aka „How to be a great GM“ – Dieses Video solltest du UNBEDINGT angesehen haben: How to be a Great Game Master, Titel: 10 Ways to Help Create Epic Backstories for your Players – Game Master Tips, (URL: https://www.youtube.com/watch?v=ymQkySxdlDw, zuletzt besucht am 10.06.2019)
  • Wo sind eure Grenzen – was geht gar nicht? Erst neulich bin ich auf Veils, Lines, Flower Systems aufmerksam gemacht worden. Diese aus dem Online-Spielrunden kommenden Gesten (Vielen Dank an Tahina Andale an dieser Stelle – eine unglaublich tolle Spielleiterin wie Spielerin) sollen helfen, dass Themen, die einem sehr nahe gehen, abgewürgt und nicht weiter ausgespielt werden. Dennoch sollte man natürlich vorher gesagt haben, was man nicht in einem Spiel haben will. Erst kürzlich, also Juni 2019, war auf Twitter ein Beitrag in aller Munde, in dem eine Spielerin von ihrem schlimmsten Erlebnis auf einer Con im Vereinigten Königreich erzählte. Der Spielleiter begann die Spielrunde wohl damit, allen geschockten Teilnehmern klar zu machen, dass sie gerade nach einer Massenvergewaltigung aufwachen. Klar ist hier die Grenze guten Geschmacks und klaren Menschenverstandes überschritten worden. Aber stell dir vor, du lässt einen Charakter in eine Falle tappsen, er geht langsam in Schlick unter und droht, zu ersticken – und der Spieler steht auf, beendet unter Tränen das Spiel und du erfährst, dass er als Kind mal fast ertrunken wäre? In einer Session 0 gehört es zum guten Umgangston, einander mitgeteilt zu haben, wo die persönlichen Grenzen des Spielspaß sind und was man nicht erleben möchte.

Das war der 1. Teil zum Thema Session 0. Ich hoffe, dass ich hier ein paar Tipps anbringen konnte, die dir als Inspiration dienen oder helfen, mehr Spaß am Spieltisch zu haben. Im nächsten Teil möchte ich gerne mehr ins Detail gehen und über Spielmechaniken und wie man diese in einer Session 0 bespricht, schreiben. Wenn du aber bis hier hin durchgehalten hast, gebührt dir neben meinem Lob aber auch die Möglichkeit, als Kommentar gerne deine ehrliche Meinung, Anregungen für einen 2. Teil oder Anderes zu verfassen!

Lesson learned!

©Chris Perkins. Dessen „The Dungeon Master Experience“ PDF, welche ich häufig blättere, hat mich dazu inspiriert, meine eigene „Wie werde ich als Spielleiter besser“ Selbstreflexion niederzuschreiben. Enjoy!

„Ich zaubere Tasha’s Hideous Laughter auf den Elf, sie soll bloß nicht vor dem Laden für Unruhe sorgen – das Drachenblut muss in Ruhe arbeiten“.
– Oh, im Chat meinte jemand, da müsse man jetzt nen coolen Witz zu erzählen! Tolle Idee! Frag ich doch mal, ob wir das können?
„Oh, sorry… da hab ich jetzt keine Idee.“
<<Chat: Schlecht vorbereitet.>>

Wie reagierst du als Spielleiter auf diese Aussage deiner Mitspielerin? Für gewöhnlich, wenn der Zauber unkommentiert ausgesprochen wird, erzähle ich die Reaktion, die daraufhin geschieht. Wenn vom Spieler bzw. der Spielerin nicht von sich aus erklärt wird, wie das ganze optisch, akkustisch oder in-game umgesetzt wird, entsprach es bis jetzt nicht meinem naturell, sie dazu aufzufordern, es urplötzlich zu ändern (abgesehen von den Matt Mercer’schen „Wie willst du den Goblin abfertigen“ Sprüchen, die wir, zugegeben, schon vor 25 Jahren schon gefragt haben). Aber: willkommen im Streaming-Jahrtausend, denn da kann es durchaus passieren, sofern man Zuschauer hat, die schreiben und man den Chat mitliest, dass man die Kommentare der Zuschauer berücksichtigt.

Meine Meinung: Großer Fehler!

Nachdem ich völlig entgegen meinem Naturell die Frage nach einer spontanen Aktion stellte, war die (absehbare) Reaktion, dass das Spiel ins Stocken geriet. Nicht nur war die Mitspielerin überrascht, dass urplötzlich eine Aktion verlangt wurde, nein, die deplatzierte Reaktion des Users, der sich dann herausgefordert fühlte, dies negativ zu kommentieren, führte dazu, dass die Spielerin sich deutlich sichtbar unwohl fühlte. Für mich als Spielleiter war dies dann aber der Supergau, denn die gesamte „Eskalation“ (unterm Strich war es ja nicht so wild und man kann so einen Kommentar auch als typisches Internet-getrolle abstempeln, zumal der User auf die Rückfrage, was für einen Witz er denn erzählen würde, kleinlaut antwortete, dass ihm auch nichts eingefallen sei) kam nur deswegen zustande, weil ich mich dazu habe verleiten lassen, etwas einzufordern, dass keinen Platz in unserem normalen Spiel hat. Spontanität, Kreativität und Rollenspiel sind immer die Sache des Einzelnen und sollten vom Spielleiter insofern gefördert werden, dass Raum dazu angeboten, aber keine Spontanaktion hergeleitet oder eingefordert wird.

Dennoch war es im Gesamten eine entspannte Spielrunde, in der viel passierte und das Abenteuer in Tiefwasser in seine zweite Runde geführt wurde. Die Helden haben nunmehr ein Haus, das sie erkundet und zudem das Spiel durch eigenen Witz, Charme und kreative Aktionen nach vorne gebracht haben.

Somit bleibt nur meine Memo an alle mitlesenden, interessierten Spielleiter, als auch an mich selbst:

  • verlasst euch auf eure Intuition und Erfahrung im Umgang mit euren Spielern, wenn ihr in-game seid, die ihr als Spielleiter mitbringt.
  • eure Spieler/innen kennen euch und plötzliche Änderungen im Meta-Game sind eher überfordernd als originell
  • Streams und Chats sind toll und die Community kann und soll auch mit den Spielern im Spiel kommunizieren – aber als Spielleiter sollte man sich auf SEIN Spiel konzentrieren.

In diesem Sinne: Uluvathae, oder: Möge dein Glück dir Freude bringen!

Ein Tag in Tiefwasser…

Oloré

Nun ist fast ein ganzer Tag vergangen, seitdem meine Truppe unerschrockener und teils tolpatschiger Heroen und Heroinen die Stadt Tiefwasser unsicher machen. Was kann man so alles an einem Tag in der größten Stadt der Schwertküste erleben?

  • Das Gähnende Portal, dessen Namenspatron – ein fast 12m im Durchmesser fassender Brunnen in der Mitte der Taverne – Schrecken des Unterberges beherbergt
  • Ein Konflikt zwischen den Zhentarim und den Dieben der Gilde des Xanathar (wobei letztere eher wie brutale Schläger erscheinen)
  • Volothamp Geddarm, Zauberer, Chronist und Prominenter Tiefwassers (Das wird die Truppe noch lange verfolgen…), der seinen Freund, Floon Blagaan, vermisst,
  • Das Dockviertel, welches nach Fäkalien und Fisch riecht
  • Den alten Xoblop Shop, das violette Ungetüm an Sammelsurium
  • die Taverne zum Aufgespießten Drachen – eine Schlägerhöhle sondergleichen, in der Anthony Wobbles sich seine erste Reputation erarbeiten konnte
  • ein galanter Kapitän, Zord, der scheinbar Interesse an Dagnal gefunden hat
  • einen Unterschlupf der Zhentarim im Dockviertel, welches aber von krähenhaften Kenkus beherbergt zu einer tödlichen Falle wurde

Das klingt ja schon mal nach einem sehr ausgefüllten Tag! Doch vermutlich ist die schnaufende und vor Angst wimmernde Person, welche sich unter der Treppe des Warenhauses versteckt hielt vielleicht die größte Überraschung für unsere junge Abenteurertruppe. Wie all dies in nur mittlerweile 6 Stunden passieren kann, ist unter https://www.twitch.tv/tiefwasser anzuschauen.

Bis dahin und eine sichere Reise,

Euer Spielleiter
Stephan

Zeit rast…

Oloré

Jetzt sind schon drei Wochen vergangen, seitdem die Tiefwasser Runde ihre Kreise in der Stadt zieht. Viel ist passiert, Durnam war grimmig wie eh und je, Trolle kletterten aus Brunnen und Tiefwasser wurde zum Leben erweckt. Überall vibriert und pulsiert die Stadt um die kleine Gruppe illustrer Helden, die von ihrer Umwelt regelrecht erschlagen werden – was mich zum heutigen Blogeintrag bringt:

Das Spiel der Rollen

Es ist eine Sache, einen interessanten Charakter zu erschaffen – dies haben alle Spieler meiner Runde mit Bravour gemeistert – und eine Andere, diese Rolle mit Leben zu füllen. Wir alle besitzen Eigenarten, Ticks und Redewendungen, die wir tagtäglich abspulen. Umso mehr ist es eine große Herausforderung, seine ROLLE zum Leben zu erwecken und sich gleichzeitig völlig von dem eigenen Ich zu befreien. Ich persönlich sehe hier im Rollenspiel eine große Chance, wie mein Bruder es mal genannt hat, „Urlaub von sich selbst“ zu nehmen. Das muss man allerdings auch erst einmal üben und sich in seiner Rolle wohl fühlen. Rollenspieler haben meistens eine konkrete Vorstellung von ihrem Charakter – meiner Erfahrung nach sind Rollenspieler meist auch aufmerksame und leidenschaftliche Leser, Serienjunkies oder Filmverrückte, wo sie sich bedienen – aber die Umsetzung ist dann etwas, in das man durchaus hineinwachsen kann.

Ich glaube, dass alle meine Spieler dahingehend einen ordentlichen Job leisten. Als Spielleiter frage ich mich jedoch immer, wie ich es schaffen kann, Spieler dazu zu bringen, ihre Rolle mit mehr Leben zu füllen. Dabei muss man jedoch auch aufmerksam damit umgehen und ein gewisses Fingerspitzengefühl entwickeln, wann Spieler/innen einem signalisieren, dass es jetzt genug „Rollenspiel“ ist. Phrasen wie „Beschreib doch mal, wie XYZ sich dabei bewegt“ oder „Welchen Ton stimmt XYZ an, um die Intention rüber zu bringen“ helfen oft, den Spielern einen Anreiz zu geben, Eigenarten ihrer Rolle genauer darzustellen. Allerdings hat dieser Wunsch nach Darstellung ein imminente Stolperfalle: Der Spielleiter verliert sich in seinen Rollen. Häufig beschreiben Spielleiter dann, wie Handlungen verlaufen und wie die NSC (=Nichtspielercharaktere) hingebungsvoll ihre Aktionen ausführen, nur um dann von Spielern ein „aha. Okay. Ich auch“ zu ernten.

Erkenntnis für mich:

Man kann niemanden zwingen, Rollenspiel zu betreiben – aber jeder, der sich freiwillig wiederkehrend zu einer bestimmten Uhrzeit einfindet, um über das Internet Rollenspiel zu betreiben, empfindet wohl so etwas wie Spaß dabei. Das sollte man als Spielleiter auch wertschätzen und versuchen, in kleinen Schritten an dem Spiel zu arbeiten; WENN der Spieler denn überhaupt will, bzw. denkt, dass man an etwas arbeiten muss. Wir sind ja hier, um Spaß zu haben – und Spaß ist etwas sehr individuelles.

Euch eine wunderschöne Reise auf euren Pfaden

Stephan

Willkommen im Gähnenden Portal

So beginnt es wohl – der erste Blogeintrag zu meiner Rollenspielgruppe, die jeden Mittwoch um 19:30 Uhr, wenn die Technik uns nicht verlässt, auf http://www.twitch.tv/SJegust1982 in der schönsten Stadt Tiefwassers ihre Runden dreht!

Als Spielleiter werde ich hier immer wieder mal in Beiträgen die Entwicklungen der Story, Beiträge zum Spielleiterdasein, Neuigkeiten und Interessantes rund um D&D, die Vergessenen Reiche etc. posten.

Dabei ist dies hier ein völlig privater und nerdiger Rollenspielblog. Ich freue mich über jeden, der etwas kommentieren möchte und mit mir in den Austausch über das tolle Hobby, Pen&Paper Rollenspiel, treten will.

Oloré

Stephan